Versammlung Oktober 2013
Der Saal des Hotels "Drei Kronen" platzte bei der Monatsversammlung am Donnerstagabend aus allen Nähten. Neben vielen Mitgliedern waren ebenso viele Nichtmitglieder gekommen, um den Vortrag Hans-Joachim Banniers zu hören, der oft als "westfälischer Apfelpapst" bezeichnet wird und zu den führenden deutschen Pomologen (Apfelkundler) zählt. Über 50 Gäste, die teils aus den umliegenden Gemeinden kamen, hatten in Eimern, Stiegen oder Beuteln jede Menge alte und unbekannt Apfelsorten mitgebracht. Denn Bannier hatte zuvor angekündigt, diese alle bestimmen zu wollen.
Zuerst aber stellte er der Versammlung vor, warum er sich überhaupt für die alten Apfelsorten stark macht. Alles begann damit, dass er vor über 20 Jahren eine Streuobstwiese mit 45 verschiedenen Sorten pachtete - ohne überhaupt zu wissen, um welche es sich dabei handelte. Er ließ diese dann von einem Pomologen bestimmen - und fing Feuer. In jahrelanger Arbeit eignete er sich nicht nur das Fachwissen an, sondern stellte auch Erstaunliches fest: Auf seinem Areal, das ohne irgendwelche chemische Behandlungen biologisch bearbeitet wird, standen Apfelsorten, die fast jedes Jahr krank waren und gleich daneben welche, die immer gesund blieben. Die kranken Sorten waren fast ausnahmslos diejenigen, die im Erwerbsbau und im Handel geführt werden, also die heutige industrielle Massenware.
Bei seinen intensiven Recherchen stellte er dann fest, dass fast alle heutigen Zucht- und Handelssorten auf drei Grundtypen zurückgehen, den Golden Delicious, Jonathan und Cox Orange. Von 270 Sorten, die er untersucht hat, besitzen nur sieben die Gene dieser drei Grundsorten nicht - eine enorme Verengung des einst sehr breiten Apfel-Erbguts. Weltweit sind es von über 500 neuen Züchtungen gerade mal zwölf.
Diese Grundsorten haben für den Handel durchaus herausragende Eigenschaften: reichen Blütenbesatz, reiche Ernte, Lagerfähigkeit, Druckunempfindlichkeit, leichte Erntemöglichkeiten und auch einen guten Geschmack. Alle drei sind aber hochgradig anfällig für die schlimmsten Krankheiten im Obstanbau, Schorf, Krebs und Mehltau sowie neuerdings auch die Blattfleckenkrankheit. Alle aus ihnen gezüchteten neuen Sorten haben ebenfalls diese anfälligen Gene geerbt.
Das hat zur Folge, dass seit etwa 1930, als die Zucht mit diesen Typen begann, der Erwerbsobstanbau nur noch mit massivem Einsatz von Chemikalien zu vermarktungsfähigen Obst kommt. Dabei gibt es jede Menge alte, bodenständige Sorten mit sehr guten Eigenschaften, die resistent gegen diese Krankheiten oder zumindest tolerant sind, heißt, ihr Anbau kommt ohne Chemie aus.
Statt aber auf diese zurückzugreifen, versuchten die Züchter nun, die bekannten Marktsorten mit Hilfe der Gentechnik widerstandsfähig gegen die Angriffe der Pilze zu machen - bislang ohne großen Erfolg, prangerte Bannier an. Ein Grund dafür sei das Verhalten der Verbraucher, die immer wieder auf die bekannten Sorten zurückgriffen. So empfahl er der Versammlung, beim Pflanzen neuer Bäume nur solche auszusuchen, die ohne das Erbgut dieser drei auskommen.
Erfreut war er, als es an das Bestimmen der mitgebrachten Obstsorten ging. Denn in der Börde wachsen offensichtlich noch sehr viele interessante alte und teils auch seltene Sorten. Das Erbgut uralter abgängiger Bäume könne erhalten werden, wenn man über Reiser in einer Baumschule neue Bäume ziehen lässt. kf