Erste Tagesfahrt des Jahres 2023 zur Landesgartenschau Niedersachsen in Bad Gandersheim
Unser Bus startete um 7 Uhr in Soest an der Stadthalle über Bad Sassendorf, wo am Rathaus noch weitere Gartenfreunde zustiegen. Insgesamt 25 Reisende waren gespannt auf die Eindrücke, die sie erwarteten.
Auf dem Weg vermittelte Klaus Fischer bereits wissenswertes über Bad Gandersheim, das auch Roswithastadt genannt wird. Er berichtete, dass Roswitha von Gandersheim um 950 lebte und Kanonisse des Stiftes Gandersheim war, aus dem das heutige Bad Gandersheim hervorgegangen ist. Roswitha gilt als erste deutsche Dichterin, sie verfasste geistliche Schriften, historische Dichtungen und die ersten Dramen seit der Antike. Ihr zu Ehren gibt es den Roswitha-Preis, ein deutscher Literaturpreis, der von der Stadt Bad Gandersheim ausschließlich an Frauen vergeben wird. Namhafte Literatinnen befinden sich unter den Preisträgerinnen wie Ilse Aichinger, Elfriede Jelinek, Luise Rinser, Carola Stern und Cornelia Funke. Die Aufnahme Roswithas in die deutsche „hall of fame“, die Walhalla, zeigt in besonderer Weise die heraus gehobene Stellung Roswithas, denn unter den fast 200 Berühmtheiten deutscher bzw. germanischer Sprache sind nur ein Dutzend Frauen hier vertreten.
Unsere Fahrt führte uns auch vorbei am Schloss Berlepsch, in dessen Gärten als Zufallssämling, die nach dem Schloss benannte Apfelsorte entstand.
Bei trübem, kaltem und windigem Wetter erreichten wir um halb elf das Haupttor der Landesgartenschau. Unmittelbar im Eingangsbereich befand sich die Veranstaltungsbühne, die an diesem Tag diversen Tanzgruppen zur Verfügung stand, um dort ihr Können zu präsentieren. Wie heutzutage üblich war dies mit einem erheblichen Geräuschpegel verbunden, so dass uns unsere beiden ‚Kulturlotsinnen‘ zunächst zügig aus diesem Bereich herausbugsierten.
Die Landesgartenschau stand unter dem Motto Garten.Fest.Spiele. Das etwa zwei Kilometer lange und 30 Hektar große Gelände liegt in den Auen des Flusses Gande und am Ufer der Eterna und des Osterbergsees und ist malerisch eingebettet in bewaldete Hügel. Das Schaugelände unterteilte sich in thematische Parkbereiche, die die vorhandenen Strukturen aufgriffen wie z.B. der Landschaftspark und der Auenpark. Neu entwickelt wurde hingegen der Roswithapark (da ist sie wieder) in dessen Mittelpunkt ein Sole-Naturbad steht. Dieses war zuvor jahrelang geschlossen und wäre womöglich ohne die Landesgartenschau auch nie wieder zum Leben erweckt worden. Leider war das Wetter bei unserem Besuch nicht so, dass wir wirklich mit Muße und entspannt über das Gelände gebummelt wären. Aber die Fülle, Pracht und Komposition der in voller Blüte stehenden 50.000 Zwiebel- und Frühlingsblüher entlohnte uns.
Außerhalb des eigentlichen Geländes schließt sich der Kurpark mit einer neugestalteten Promenade entlang der Gande an, die in die Altstadt von Bad Gandersheim führt. Das hübsche städtebauliche Ensemble der Altstadt wird dominiert von der romanischen Kirche St. Anastasius und St. Innocentius des Stiftes Gandersheim, in dem Roswitha gewirkt hatte. Fälschlicherweise wird die Kirche häufig als Gandersheimer Dom bezeichnet. Das Westportal dient den Gandersheimer Domfestspielen als Kulisse. Hierfür wird vor dem Dom eine von außen als wenig ansehnliche Wand empfundene Tribüne aufgebaut, die bei unserem Besuch den Eindruck doch stark trübte. Dafür hatte eine der Gruppe das große Glück auf eine Kulturlotsin gestoßen zu sein, die über einen Schlüssel zum ansonsten verschlossenen Dom verfügte. Und so bekamen wir noch eine unverhoffte, aber umso kenntnisreichere Domführung.
Ebendiese Kulturlotsin machte uns aber auch aufmerksam auf das örtliche Nebeneinander von Schönheit und Bösem, wie es uns auch in Weimar beim Schloss Belvedere begegnet war. Denn im nahegelegenen Kloster Brunshausen wurde in der Nazizeit ein Außenlager des KZs Buchenwald errichtet. Sie berichtete uns, dass unter anderem in der sogenannten Flachsröste viele Zwangsarbeiterinnen aus Polen, Russland und der Ukraine arbeiten mussten, von denen etliche schwanger wurden und denen die Kinder unmittelbar nach der Geburt entrissen wurden. Was mit den Kindern geschah, ist nicht gewiss. Etliche sollen aber das Säuglingsalter nicht überlebt haben. Auch dieses Kapitel gehört zur Stadtgeschichte von Bad Gandersheim.
Um 14 Uhr haben wir mit vielen neuen Eindrücken Bad Gandersheim verlassen und machten uns auf den Weg nach Einbeck. Die Stadt ist nicht nur für ihren historischen Kern mit wunderbaren Fachwerkensembles bekannt, sondern auch für ihr weithin bekanntes Bier. Hier erkundigten wir auf eigene Faust die Altstadt. Zufälligerweise hatte genau an diesem Tag die Einbecker Brauerei ihr jährliches Hoffest gefeiert. Alle Tore standen weit offen und luden zur Besichtigung ein, auf einer Bühne gab es ein passendes Musikprogramm und in einer Packhalle war eine beeindruckende 60 m lange Theke aufgebaut.
Um 16 Uhr ging es zurück nach Soest, das wir via Bad Sassendorf um 19 Uhr erreichten.
Bettina Dräger-Möller
(Schriftführerin)